Bild: © ETV EING TEXTIL-VEREDLUNG GmbH & Co. KG

ETV: Fast 75 Jahre Textilveredlung am Standort Gescher im Münsterland

„Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Die gehört genauso zu verlässlichen Rahmenbedingungen wie niedrigere Energiepreise. Wir wollen ja gar nicht die günstigsten Strompreise in Europa, aber wettbewerbsfähig müssen die Energiekosten sein. Davon sind wir derzeit weit entfernt.“

Dirk Tunney, Geschäftsführer der ETV EING VEREDLUNG GmbH & Co. KG berichtet, was das im konkreten Fall seines Unternehmens bedeutet:

Wir sind Textilveredler. Wir beschichten, färben und bedrucken Textilien, technische Oberflächen oder Garne für andere Unternehmen, die daraus dann die verschiedensten Produkte herstellen.

Wir rüsten Gewebe so aus, dass sie vor Wasser, Säure oder Flammen schützen. Daraus wird dann beispielsweise Schutzkleidung für die Arbeit oder auch für die Freizeit gemacht.

Aber auch in der Architektur, im Verkehr, in der Industrie, in der Landwirtschaft, in der Medizin – also eigentlich überall findet man Produkte mit textilen Bestandteilen, die von uns ausgerüstet bzw. funktionalisiert wurden.

Es wird wohl kaum einen Haushalt geben, in dem sich nicht irgendetwas befindet, was nicht durch unsere Werkhalle in Gescher im Münsterland gelaufen sein könnte. Das können übrigens auch Kleinigkeiten sein. Man mag es nicht glauben: Aber selbst die Fäden von Teebeuteln sind nicht einfach nur Fäden. Wir wissen das, denn wir färben diese. Und wenn Sie mal Ihre Sitzheizung im Auto aktivieren, ist die Chance groß, dass das Trägermaterial der Elektronik in Ihrem Sitz von uns ist.   

2025 feiern wir unser 75jähriges bestehen. Alle 117 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ETV-Textilveredlung werden das trotz der aktuellen Wirtschaftskrise voller Optimismus tun.

Gerade haben wir einen neuen Spannrahmen für Beschichtungen in Betrieb genommen. Dafür war sogar die stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, nach Gescher gekommen. Denn diesen Spannrahmen könnten wir im Rahmen eines ersten Pilotprojektes mit Wasserstoff betreiben.

Wir sind also vorne mit dabei, wenn es um die Energiewende geht, aber dafür braucht es echte wettbewerbsfähige und verfügbare Alternativen.

Die Mehrheit der in Deutschland tätigen Industrieunternehmen erwartet aufgrund der Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion mittelfristig negative Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft (vier von fünf der befragten Unternehmen einer aktuellen Umfrage) und eine zunehmende Abwanderung ins Ausland.

Unternehmen, die tatsächlich in die klimaneutrale Transformation investieren, stoßen auf große wirtschaftliche und bürokratische Hemmnisse. Viele Transformationsziele scheinen dadurch unerreichbar – es macht sich Resignation breit – und es mehren sich Gedanken, Produktionen zu schließen.

Der Weg zu einer klimaneutralen Produktion führt über die Dekarbonisierung von Prozesswärme – doch diese wird aktuell meist noch fossil erzeugt.

Schon länger haben wir ein Wärmemanagementsystem, das unseren Energie-bedarf für Wärme zum Beispiel durch die Nutzung von Restwärme um bis 45 Prozent gesenkt hat. Wir betreiben auch eine eigene Kläranlage und eine Klärschlammtrocknung (über Abwärme aus den Prozessen), um den anfallenden Klärschlamm zu reduzieren. Die Kläranlage wird autark mit eigenem PV-Strom versorgt.

Das alles kostet viel Geld.

Wir stehen aber im Wettbewerb mit Unternehmen aus aller Welt. Dort gibt es niedrigere Umweltstandards und somit niedrigere Kosten. Viel gravierender sind die Unterscheide aber beim Energieaufwand.

Aktuell mögen die Preise an den Börsen runtergegangen sein. Als Mittelständler haben wir davon aber nichts, weil wir langfristige Verträge mit unseren Energie-versorgern haben.

Und es geht ja nicht nur um den reinen Strompreis. Netzentgelte und alle möglichen anderen Umlagen und Steuern kommen ja noch obendrauf. Selbst unsere Wettbewerber aus der europäischen Nachbarschaft zahlen oft nur halb so viel für den Strom wie wir oder sogar noch weniger.

Der Ukraine-Krieg hat zudem gezeigt, wie schnell die Kosten in die Höhe schießen können.

Unternehmen brauchen aber Planungssicherheit. Die gehört genauso zu ver-lässlichen Rahmenbedingungen wie niedrigere Energiepreise. Wir wollen ja gar nicht die günstigsten Strompreise in Europa, aber wettbewerbsfähig müssen die Energiekosten sein. Davon sind wir derzeit weit entfernt.

Thema Netzentgeltrabatte

Wenn es Vorschläge aus der Bundesregierung gibt, dass wir nur dann produzieren sollen, wenn es gerade billigen Strom aus Wind oder Sonnenenergie gibt, fragen wir uns, wie das bei einem 24/5-Betrieb gehen soll“.  

Netzentgeltrabatte für verbraucherseitiges systemdienliches Verhalten sind praxisfern und somit für uns keine Alternative.

Die Nutzung der Atypik ergibt dann für viele Betriebe keinen Sinn mehr, da die Mehrkosten durch die schwankende Produktionsweise die Entlastung bei den Netzentgelten übersteigen. Die Flexibilisierungspotenziale im Mittelstand sind eingeschränkt, sodass viele Betriebe weitergehende Flexibilisierungs-anforderungen nicht entsprechen können – das gilt auch für die etv.

Dekarbonisierung

Unsicherheiten über die Entwicklung der Energiepreise, mögliche Kapazitäten der Infrastruktur sowie die Verfügbarkeit von alternativen Energieträgern sind Hindernisse, die unternehmerischen Investitionen in die Dekarbonisierung entgegenstehen (beispielsweise bei der Umrüstung unserer Anlagen auf Wasserstoff).

Um dies zu ändern und mit der Dekarbonisierung der industriellen Prozesswärme die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern, sollte die Bundesregierung das Thema noch stärker in den Vordergrund stellen und politische Rahmen-bedingungen hierzu setzen.

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